Der Name Hoerbiger ist nur Kennern ein Begriff. Das Unternehmen ist Weltmarktführer in seinem Segment – es steht für Performance-bestimmende Komponenten in Kompressoren, Industriemotoren und Turbinen, Automobilgetrieben sowie in vielfältigen Anwendungen im Maschinen- und Anlagenbau. Ein "hidden champion" mit einer weltweiten Präsenz. 6.858 MitarbeiterInnen sind insgesamt für das Unternehmen, dessen Wurzeln in Wien liegen, tätig.
Über acht Jahrzehnte waren die Hoerbiger Ventilwerke in Wien-Simmering zu Hause, einem der traditionsreichsten Industriebezirke Wiens. Dann wurde in der Hoerbiger Holding AG die Entscheidung getroffen, den dortigen Firmenstandort aufzugeben und in der Seestadt Wien Aspern an einem neuen Standort die rund 500 in Wien tätigen MitarbeiterInnen des Konzerns unter einem Dach zusammenzuführen.
Mehrere Gründe sprachen für den Weg von Hoerbiger vom Traditionsstandort Wien-Simmering nach Wien-Aspern. Die MitarbeiterInnen waren vor dem Bau des neuen Headquarters auf mehrere Standorte in Wien verteilt. Die Notwendigkeit zur Schaffung einer attraktiven Arbeitsumgebung, sowohl für das bestehende Team als auch im Hinblick auf die Gewinnung neuer Talente, war groß.
Mit dem neuen Firmenstandort ist es Hoerbiger gelungen, die Firmenwerte Mut, Pioniergeist, Nähe und Fairness sowie den Erfolgsfaktoren des Unternehmens Technologie, Selbstbestimmtheit, Wirtschaftlichkeit und Marktpositionierung in Form eines unverwechselbaren architektonischen Bauwerks Gestalt zu verleihen. Wie ist das gelungen?
Mit M.O.O.CON Moods. Es ist ein interaktives Kommunikationsinstrument, auf dessen Basis die Unternehmensidentität in die Sprache der Architektur übersetzt werden kann. Im Hoerbiger Projekt wurden 40 MitarbeiterInnen zu einer Online-Befragung eingeladen, um die Unternehmenskultur besser zu verorten. Im nächsten Schritt nahmen einige MitarbeiterInnen an einem Workshop teil. Ergebnis war das hier abgebildete Moodboard:
Gemeinsam mit unserem Auftraggeber machten wir eine genaue Bedarfsplanung, die in die Ausschreibungsunterlagen des später folgenden GeneralplanerInnen-Wettbewerbs Eingang fand. Das Architekturbüro querkraft plante ein 24.000 m² großes Gebäude, das mit der Tradition der klassischen Industriebautypologie bricht und die Grenzen zwischen Verwaltung, Forschung & Entwicklung sowie Produktion intelligent auflöst. Vielfältige Möglichkeiten für Zusammenarbeit und Austausch jenseits von Abteilungs- und Hierarchiegrenzen, die Wege sowie Innovations- und Produktionszyklen kürzen, sind im neuen Haus entstanden.
Durch seine schlichte, ja fast rohe und ungeschminkte Architektur ist das Haus eine gelungene Visitenkarte für den innovationsgetriebenen Technologieführer. Mit seinen offenen Leitungsführungen und Akustikpaneelen, den schnörkellosen Röhren und Leuchten sowie den fehlenden Verkleidungen, den Elementen Stahl und Beton, die nicht nur in der Produktionshalle, sondern auch im Verwaltungs- sowie im Forschungs- und Entwicklungsbereich zu sehen sind, ist der technologieaffine und erfinderische Geist des Unternehmens überall im neuen Haus zu spüren.
Ein wichtiges Ziel war von Anfang an, die räumliche und kulturelle Trennung zwischen den verschiedenen Gesellschaften und Abteilungen zu überwinden. So wurde das neue Haus als Ort der Begegnung und des Austauschs konzipiert, in dem sich der Erfindergeist, optimal entfalten kann. Durch die intelligente Vernetzung der Bereiche Produktion, Verwaltung und Forschung & Entwicklung in Form von
zahlreichen Brücken, Gängen und Begegnungsplätzen,
einer eigenen Ausstellungsfläche,
des Restaurants
und des gemeinsamen Innenhofs
wird besonders die informelle Kommunikation gestärkt. Dadurch sollen Innovations- und Produktionszyklen deutlich verkürzt werden. Einfach gesagt:
Warum bleibt ein weltweit tätiger Konzern am historisch begründeten Standort Wien? Die Antwort ist einfach: Hier gibt es gute Leute! Auch wenn Wien nicht die Industriestadt schlechthin ist, weiß Hoerbiger das hohe Niveau der technischen Ausbildung zu schätzen.
Obwohl das Thema Corporate Architecture in gewisser Weise so alt wie die Architektur selbst ist, sind Architekturwettbewerbe in der Privatwirtschaft noch nicht so verbreitet wie im öffentlichen Bereich. Der Nutzen von Wettbewerben liegt aber auch für private AuftraggeberInnen auf der Hand:
Sie sind das geeignete Mittel, um
verschiedene Lösungen zu generieren,
eventuelle Versäumnisse und Unachtsamkeit aufzudecken,
vom Kreativitäts- und Erfahrungspotenzial der verschiedensten Architekturbüros zu profitieren sowie
um sich einen Überblick über das beste Preis-Leistungsverhältnis
zu verschaffen.
Um die Wirtschaftlichkeit der Wettbewerbsprojekte zu vergleichen, wurde das von uns entwickelte Lebenszykluskosten-Tool eingesetzt: Auf Basis der Flächenprogramme der einzelnen Wettbewerbsbeiträge und der definierten Bau- und Ausstattungsqualitäten wurden virtuelle Gebäude erstellt. So hatte Hoerbiger eine verlässliche Entscheidungshilfe.
Hoerbiger definierte für das Neubauprojekt ein Budget und die Sieger des GeneralplanerInnen-Wettbewerbs, querkraft Architekten, verpflichteten sich dazu, die Planung so zu adaptieren, dass die Kosten eingehalten werden können. Gemeinsam identifizierten wir sogenannte Abwurfpakete, auf die bei einer Überschreitung der Baukosten im Vergabeprozess jederzeit verzichtet werden konnten.
Das von uns verantwortete Änderungswesen in der Ausführungsphase stellte sicher, dass die Kostenreserven über die 18 Monate Bauzeit ausreichten. Eine kontinuierliche Risikoabschätzung half dabei zu identifizieren, ab wann die Reserven zugunsten von zusätzlichen Qualitäten abgebaut werden konnten.
Hoerbiger hat von Beginn an verstanden, dass volles Commitment nötig ist, um erfolgreich zu sein und entsprechend MitarbeiterInnen eingesetzt. Darüber hinaus ist ein umsichtiger, partnerschaftlicher Umgang im Projektteam essenziell. Hohe Qualität, strenge Budgetvorgaben und ein kooperativer Umgang in einem Team aus AuftraggeberIn, PlanerInnen sowie ausführenden und beratenden Unternehmen lässt sich durchaus vereinbaren. Das Hoerbiger Projekt ist ein schöner Beweis dafür.