Der Digitale Zwilling ist in den vergangenen Monaten in aller Munde. Warum ist das so?
Wenn wir uns einige Jahre zurückerinnern, hatte fast jeder zweite Messestand auf der FM-Messe ein großes BIM-Logo aufgehängt. Damals hatte man aber höchstens die Vorstellung der Anbindung einer 3D-Grafik an ein CAFM-System zur besseren Orientierung. Das hat im ersten Schritt nicht wirklich mit einem konkreten Nutzen für die Branche überzeugt und war dann auch sehr schnell wieder aus der Vermarktung der Folgejahre verschwunden. Mittlerweile haben sich das Thema BIM und in Folge die Möglichkeiten des Aufbaus eines Digitalen Zwillings technologisch rasant weiterentwickelt. Endlich kann eine schlüssige Nutzenargumentation für den digitalen Zwilling aufgebaut werden, die vor allem auf den Möglichkeiten der methodischen Verzahnung der Prozessbeteiligten basiert. Das beinhaltet den relevanten Datenaustausch und vor allem auch den Einsatz von Algorithmen und modellbasierten Simulationen der Realität.
Wie gut können wir denn die Realität heute schon digital abbilden?
Angefangen bei der Modellierung über die Erweiterung durch die Virtual-Reality-Technologie, das Scanning bis hin zu 360-Grad-Aufnahmen und Stitching-Prozessen kann die Architektur und Gebäudetechnik inklusive Ausstattung prinzipiell 1:1 abgebildet werden. Doch wirklich spannend wird jetzt die Abbildung der Realität durch Simulation zukünftiger Zustände aus energetischer Sicht sowie auch hinsichtlich des Nutzerverhaltens oder des Verhaltens technischer Anlagen und Bauelemente. In Verbindung mit realen Messdaten der Sensorik sind hinsichtlich des Abbilds der Realität also fast keine Grenzen mehr gesetzt
Wer kann von dieser Entwicklung wie profitieren?
Die Herausforderung besteht jetzt darin, die genannten Möglichkeiten des reinen Abbilds und Datensammelns mit Algorithmen und den Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz zu nutzbringenden Anwendungsfällen zu führen. So können wir zum Beispiel die Qualität des Arbeitsplatzes steigern, die Betriebskosten senken und Nachhaltigkeitsziele erreichen. Profitieren wird also in erster Linie der Nutzer/ Mieter, auf den sich die Anwendungsfälle primär fokusieren werden. In den vergangenen Jahrzehnten wurden immer wieder Forderungen nach wirklichen Innovationen und dem damit verbundenen Mehrwert in der FM-Branche laut. Jetzt kann sich der Betreiber ganz anders im eigenen Unternehmen darstellen und behaupten. Aber vor allem für die Hersteller-Industrie, Softwareunternehmen und die Dienstleister werden neue Geschäftsmodelle entstehen, durch die alle Beteiligten inklusive der Umwelt letztendlich profitieren werden. Doch neben der aktuell starken Fokussierung auf das technisch Machbare, um die Entwicklung voranzutreiben, ist es jetzt aber auch wieder wichtig, den Mehrwert zu identifizieren und zu formulieren. So können wir die Beteiligten, die davon profitieren sollen, auch überzeugen, diesen Weg mitzugehen. Sonst werden wir uns in absehbarer Zeit mit ein paar Leuchtturm- oder F&E-Projekten und netten Preisverleihungen erst einmal begnügen müssen während sich international viele neue Ansätze zum Stand der Technik entwickeln werden.