Für Unternehmen mit Bauvorhaben ist es jetzt an der Zeit, sich den Auswirkungen der EU-Taxonomie-Verordnung zu widmen, um diese auch in Zukunft noch finanzieren zu können. Außerdem gilt es, Bestandsgebäude unter die Lupe zu nehmen und zu überprüfen, ob sie den Kriterien der EU-Taxonomie entsprechen.
Martin Käfer beantwortet die wichtigsten Fragen dazu.
Martin Käfer: Die EU-Taxonomie ist ein Rechtsakt, der einen Beitrag zum Green Deal der EU leistet, indem er Finanzströme in nachhaltige Projekte lenken soll. Das Ziel lautet, die EU bis 2050 klimaneutral zu machen.
Die Verordnung hat direkte Auswirkungen auf Firmen und Investoren und bringt Änderungen der Offenlegungspflicht mit sich. Es werden Kriterien bestimmt, die eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig bewerten.
Die sechs Umweltziele lauten:
Klimaschutz
Anpassung an den Klimawandel
Schutz von Wasser und Meeresressourcen
Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung
Schutz und die Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme
In einem dieser Ziele muss ein wesentlicher Beitrag geleistet werden, in den anderen fünf Bereichen darf kein wesentlicher Schaden entstehen. Die Kriterien gelten für Neubauten, große Sanierungen und Bestandsobjekte.
Außerdem sind Mindestgarantien einzuhalten, einschließlich der OECD-Richtlinien für multinationale Unternehmen und der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte.
Die beiden Umweltziele Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel traten bereits 2020 in Kraft, alle übrigen 2021. Die Finanzmarktteilnehmer haben danach jeweils ein Jahr Zeit bis zur ersten Berichterstattung.
Die Bau- und Immobilienindustrie ist einer von sieben betroffenen Sektoren1. Auswirkungen gibt es auf alle, in diesem Sektor tätigen Finanzmarktteilnehmer, also etwa Banken, Versicherungen oder Fonds, aber auch große Unternehmen2.
Unser Fokus, bei M.O.O.CON, liegt in der Beratung von diesen „großen Unternehmen“ hinsichtlich Berichterstattung und bei der Finanzierung ihrer eigengenutzten Immobilien. Die Verordnung wird aber auch kleinere Unternehmen treffen, da Kreditinstitute zukünftig überprüfen werden, ob die zu finanzierende Immobilie den Kriterien der Taxonomie entspricht.
Es gibt zu Beginn noch keine Konsequenzen, sollten die Taxonomie-Kriterien nicht erfüllt werden – die Berichterstattung reicht aus. Finanzprodukte dürfen jedoch nur mehr als nachhaltig bezeichnet werden, wenn die Kriterien erfüllt sind.
Die EU-Taxonomie ist weniger ein Anreiz, sondern ein Mechanismus, der es in Zukunft unmöglich machen wird, nicht nachhaltig zu bauen, zu sanieren und zu betreiben. Nicht nachhaltige Gebäude werden teuer zu finanzieren und schwieriger zu veräußern sein und bis 2050 einen kontinuierlichen Wertverlust am Immobilienmarkt erfahren. Man spricht von sogenannten „stranded assets“.
Die Zertifizierungssysteme, und hier vor allem die europäischen, wie das DGNB-Zertifikat, decken die Kriterien schon sehr gut ab. Das DGNB-Zertifikat wird aktuell zur Nachweisführung angepasst, um bereits in einem Vorzertifikat, zum Zeitpunkt der Planung, und damit bei der Festlegung der Finanzierung eines Projektes, die Konformität mit der EU-Taxonomie nachzuweisen.
(Studie zur Marktfähigkeit der EU-Taxonomie-Kriterien für Gebäude)
Die Herausforderung bei der Planung eines Neubaus wird jedenfalls die Einhaltung des Primärenergiebedarfs sein. Bei Bestandsgebäuden, vor allem bei jenen ohne Gebäudezertifikat, stellt insbesondere die schlechte Datenlage ein Problem dar. Für viele der nachzuweisenden Themen fehlen einfach die Unterlagen.
Die finale Form der Verordnung liegt nun bereits vor. Die ursprünglich hineingeschriebenen Anforderungen wurden nach unten nivelliert, nachdem mehrere Tausend Kommentare von diversen Stakeholdern zu berücksichtigen waren. Jetzt hängt es an der praktischen Anwendung, ob die EU-Taxonomie einen Erfolg für die Durchsetzung der Klimaziele bedeutet oder ein administrativer Aufwand bleibt.