40.047 km - so viele Kilometer müssten wir zurücklegen, um die Erde genau einmal zu umrunden. Eine unvorstellbare Zahl? Nicht wirklich. Ein Beispiel: Tatsächlich fährt jede bzw. jeder Deutsche mit dem PKW durchschnittlich 11.000 Kilometer pro Jahr; das ist bereits ein Viertel der Strecke1.
Jeden Tag werden weltweit im Schnitt drei Milliarden Personenkilometer zurückgelegt und davon über die Hälfte (57 Prozent) mit dem PKW; im ländlichen Raum sogar 70 Prozent.
In Deutschland dient fast jede zweite Fahrt mit dem PKW dem Urlaubs- oder Freizeitzweck. Jede fünfte Autofahrt ist beruflich oder ausbildungsbedingt. In der Europäischen Union ist der Verkehr mit fast 30 Prozent an den gesamten ausgestoßenen CO2-Emissionen beteiligt (2018: 36,6 Mrd. Tonnen CO2)2.
Das Auto, als die Nummer Eins unter den Fortbewegungsmitteln, hat sich in den letzten Jahren deutlich weiterentwickelt. Während in Deutschland die spezifischen Emissionen pro Verkehrsaufwand bis 2018 um 9 Prozent gesunken sind, hat der PKW-Verkehr an sich einen Zuwachs von 14 Prozent erlebt. Der technische Fortschritt wird buchstäblich von unserem Bedürfnis nach individueller und jederzeit möglicher Flexibilität aufgehoben. So überrascht es nicht, dass der Anteil des motorisierten Individualverkehrs am gesamten Personenverkehrsaufwand seit 1991 (81,6 Prozent) kaum zurückgegangen ist (2019: 73,4 Prozent)3.
Neben den Emissionen, die durch den Individualverkehr entstehen, ist bekanntermaßen das Flugzeug ein Schwergewicht unter den CO2-Erzeugern. Ein gefahrener Kilometer mit einem benzinbetriebenen Auto ist über 15-mal so klimaschädlich wie ein zurückgelegter Kilometer mit der Bahn, während der Kilometer mit dem Flugzeug mit über 31-mal so vielen CO2-Emissionen zu Buche schlägt.
Damit sind wir beim Thema Dienstreisen angelangt (beinahe vergessen nach einem Jahr Corona-Pandemie). Für viele Unternehmen - da können selbst wir uns als Beratungsunternehmen nicht ausnehmen - sind Dienstreisen der allergrößte Emissionsverursacher im Vergleich zu anderen Auslösern wie zum Beispiel die Qualität des Gebäudes, in dem gearbeitet wird, oder die Art und Weise wie dieses betrieben wird. Welche Maßnahmen helfen, um Dienstreisen zu reduzieren, wissen wir alle nach einem Jahr Corona: ein „guter“ virtueller Raum, viel Struktur und neue Regeln in der Kommunikation. Wir wissen, dass die digitale Kommunikation nicht alle analogen Treffen ersetzen kann, aber viele und das wohl auch in Zukunft.
Der Ausbau der Straßennetze hat kaum zur Einsparung von Reisezeit geführt, sondern zur Ausdehnung der Entfernung zwischen den Bereichen unseres Lebens5. Aufgrund der breiten Einführung von Mobile Work, werden sich die Pendlerströme wohl wieder verändern. Man muss nicht mehr zur Arbeit fahren; zumindest nicht jeden Tag. Wird folglich die Distanz zwischen Wohn- und Arbeitsort wieder größer werden?
Um die Klimakrise zu stoppen, sollte es also unter anderem darum gehen, den „bösen“ Verkehr zu reduzieren und durch „guten“ zu ersetzen. Aber so einfach ist das nicht.
Der Eingriff in das Mobilitätsverhalten ist nach Aussagen unseres Experten im Webinar, Dr. Robert Kaltenbrunner, Leiter der Abteilung Bau- und Wohnungswesen im Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung in Berlin, etwas sehr Privates. Deutschland, als Automobilwirtschaft, tut sich besonders schwer, dieses Privileg anzufassen. Dabei „hat die Erfolgsgeschichte des PKW den „Problemberg“ der Gesellschaft mit aufgehäuft“, weiß Kaltenbrunner. Hierbei werden häufig die CO2-Emissionen betont und die verheerende Flächenbilanz vergessen: Ein Drittel aller städtischen Flächen werden zum Fahren und Abstellen von PKW genutzt. „Eine PKW-Fahrt von zuhause zur Arbeit beansprucht 90-mal mehr Raum als mit dem Bus“, so Kaltenbrunner weiter.
Aber Mobilitätsformen sind wandelbar - Schritt für Schritt. Das langfristige Ziel muss sein, ein ausgewogenes Verhältnis an Mobilität für alle VerkehrsteilnehmerInnen zu schaffen. Robert Kaltenbrunner plädiert für Konzepte, die das Miteinander der verschiedenen Mobilitätsformen unterstützen und sich nicht gegenseitig ausstechen. Urbanität ist nicht das Ergebnis bewusster planerischer Entscheidung, sondern das Ergebnis einer Entwicklung, an der eine Vielzahl unterschiedlicher AkteurInnen, Interessen, Initiativen, etc. beteiligt sind. Schnell umsetzbare Maßnahmen wie Parkregeln oder die Schaffung von Radwegen sollten dabei den Anfang machen.
Aus unserer Sicht tragen Unternehmen eine Verantwortung wie ihre MitarbeiterInnen zum und vom Arbeitsort gelangen. Sie prägen mit ihrer Kultur, der Lage ihrer Bürostandorte und den Services für ihre MitarbeiterInnen die Verkehrsmittelwahl. Die Verantwortung der Unternehmen beginnt also nicht erst an der Türschwelle zu ihrer Arbeitsstätte.
Der PKW ist das meistgenutzte Verkehrsmittel zur Erreichung der Arbeitsstätte6. Michael Schwendinger, Verantwortlicher für die Themen Mobilitätsicherung und Ökonomie beim VCÖ - Mobilität mit Zukunft, bemängelt, dass viele Unternehmen sich gar nicht über ihre Einflussmöglichkeiten bewusst sind. Beispielsweise wird die Bereitstellung von Parkplätzen häufig anhand der Ist-Situation bemessen. Will man diese aber verändern, sollte sich auch das Angebot ändern. Schwendinger plädiert für eine Pflicht für betriebliches Mobilitätsmanagement ab einer gewissen Unternehmensgröße, um die Verantwortung von Unternehmen zu erhöhen und geeignete Angebote zu schaffen.
Es geht also auch hier um das richtige Angebot für die Mitarbeitenden. Städtebauliche Ideen und Konzepte können somit auch auf Unternehmen übertragen werden. Noch besser wäre eine Vernetzung der AkteurInnen. Städte und Unternehmen sollten in Hinblick auf Mobilitätsmanagement stärker kooperieren, so würden alle profitieren.
Ein Beispiel für eine Kooperation zwischen Stadt, Verkehrsbetrieben und Unternehmen brachte Andrea Glatzer, Human Resource Development beim Unternehmen Mahle Filtersysteme Austria, mit ins Webinar. Ihr Arbeitgeber ist das größte Unternehmen in Unterkärnten.
Das Unternehmen hat seinen Sitz auf dem Land. Das öffentliche Verkehrsnetz war eher schlecht ausgebaut, der Anteil an Individualverkehr hoch. Mit dem Projekt „Betriebliche Mobilität Mahle“ hatte sich das Unternehmen 2019 vorgenommen den bereits bestehenden Werksverkehr in den öffentlichen Nahverkehr zu integrieren, um somit Synergien zu schaffen. Dafür wurde in Abstimmung mit den Österreichischen Bundesbahnen der S-Bahn-Fahrplan an den Schichtbetrieb des Unternehmens angepasst. Der betriebseigene Shuttlebus bringt die Mitarbeitenden zum S-Bahnhof. Dieser Service ist auch für Personen, die nicht bei Mahle arbeiten, nutzbar. Innerhalb des Werksgeländes wurden Gehwege verlegt, mehr Stempelterminals geschaffen und der LKW-Verkehr während der Shuttelbus-Zeiten eingestellt.
Für dieses Projekt erhielt das Unternehmen 2019 den VCÖ-Mobilitätspreis in Österreich. Die klare Empfehlung für Unternehmen aus den Erfahrungen von Andrea Glatzer: „Alle Stakeholder müssen mitarbeiten. Man muss es einfach anpacken und ins Tun kommen. Dann ist vieles möglich!“.