Wir Menschen haben die Angewohnheit Raum einzunehmen. Wir schaffen Infrastrukturen, kaufen ein, essen, arbeiten, frönen Freizeitbeschäftigungen, kurz gesagt: wir leben. Viele der daraus entstehenden Auswirkungen sind mittlerweile messbar – unter anderem unsere individuellen CO2-Emissionen. In Deutschland schlagen wir mit 10,4 Tonnen CO2 pro Person und Jahr zu Buche, in Österreich mit 10,5 Tonnen1. Das sind, ehrlich gesagt – wie Al Gore schon 2006 in seinem gleichnamigen Dokumentarfilm so treffend sagte – inconvenient truths: unbequeme Wahrheiten.
Um Veränderung bewirken zu können, braucht es zuallererst eine realistische Einschätzung des gegenwärtigen Zustandes. Dazu ein eindrückliches und – noch wichtiger – realistisches Beispiel.
Wir sind ein Unternehmen mit 500 MitarbeiterInnen in einem Bau des Jahres 1984 in einem Gewerbepark. Während in den 1980er Jahren ein derartiger Standort mit zahllosen Parkplätzen eine ideale Niederlassung für viele Firmen war, stellt sich heute die Frage: Wie kann ich mein Unternehmen unter diesen Bedingungen nachhaltig in die Zukunft führen?
Die öffentliche Anbindung lässt zu wünschen übrig, aber dafür gibt es ausreichend PKW-Stellplätze. Der CO2-Verbrauch meiner Firma ist pro MitarbeiterIn ca. 5,3 Tonnen pro Jahr. Die berücksichtigten Komponenten dieser Rechnung sind der Gebäudeverbrauch, Baustoffe, Dienstreisen, LieferantInnen, Pendelmobilität und auch die Ernährung, die wir in unserer Kantine anbieten1.
Wo setze ich an, um als Unternehmen ernsthafte Beiträge zu leisten nicht nur nachhaltiger, sondern langfristig auch ökonomischer zu wirtschaften? Und welche Mehrwerte kann ich daraus für mich und meine MitarbeiterInnen ziehen?
Die Sanierung unseres Gebäudes ist nach 37 Jahren mehr als überfällig geworden. Die Fenster quietschen, das Dach braucht Zuwendung und repräsentativ sind unsere Flächen schon lange nicht mehr. Damit senken wir laut unseren Berechnungen in der Öko:map den durchschnittlichen CO2-Verbrauch um immerhin 0,9 Tonnen und stehen nun bei 4,4 Tonnen/Person jährlich. Damit bringen wir zwar das Haus und die Haustechnik wieder auf Vordermann und der Strom wird nun auch schon durch eine eigene Photovoltaik-Anlage erzeugt, aber in unserem Bestand ist dennoch nicht alles möglich.
BEISPIEL für die Sanierung eines Bestandsgebäudes: Sozialversicherung der Selbständigen
Wenn unser Beispiel-Unternehmen zusätzlich auch noch das in der Pandemie gelernte mobile Arbeiten in die Zukunft mitnimmt und seinen Mitarbeitenden ein flexibel nutzbares Homeoffice ermöglicht, wäre es machbar die Bürokapazitäten durch Desk-Sharing-Konzepte derartig herunterzufahren, dass nur noch ein halbes Gebäude genutzt und die zweite Hälfte beispielsweise vermietet werden kann.
Ein weiterer Denkansatz würde bedeuten, ein neues Gebäude in Angriff zu nehmen, das ökologisch gebaut und betrieben wird und von vorneherein auch die funktionalen und kulturellen Bedürfnisse des Unternehmens berücksichtigt.3
Das heißt in unserem Beispiel: Holz statt Beton. Natürliche Baustoffe, die ein natürliches Innenraumklima schaffen, Strom von der Photovoltaik-Anlage auf dem Dach und an der Fassade, Heiz- und Kälteenergie aus alternativen, erneuerbaren Ressourcen. So wie es spätestens 2050 eben überall Standard sein muss und heute bereits bei einzelnen Neubauten ist.
Ein Standortwechsel hätte unter anderem den immensen Vorteil, dass wir bei dessen Wahl bereits auf eine gute öffentliche Anbindung achten können, sodass die Nutzung eines eigenen PKWs nicht mehr zwingend nötig ist. Im Gegenteil, als ArbeitgeberIn kann ich auch noch zusätzlich die Nutzung des öffentlichen Verkehrs fördern, indem ich statt kostenlosen Parkplätzen ein Öffi-Jahresticket oder eine elektrische Car-, Bike- oder Scooter-Flotte zur Verfügung stelle, die eventuell auch noch mit selbst produziertem Strom geladen wird.
Beispielgebend in Sachen ökologisch betriebliche Mobilität ist das Mahle-Werk im Kärntner Bleiburg. Trotz der ländlichen Lage hat sich das Industrieunternehmen getraut, die Mobilität ihrer rund 3.000 Mitarbeitenden weg vom Individualverkehr zu lenken. Das nahe gelegene S-Bahn-Angebot wurde ausgeweitet, der Werksverkehr ist rein elektrisch und steht nicht nur dem Unternehmen, sondern auch den AnrainerInnen zur Nutzung zur Verfügung. Auch die Fahrradwege sind nun besser ausgebaut und es gibt genügend und sichere Abstellplätze für die Zweiräder.
Aus heutiger Sicht können wir uns viele Erfahrungen, die wir durch die Pandemie gemacht haben, als Unternehmen sehr gut zunutze machen. Neben Homeoffice wurde uns auch klar, dass Dienstreisen vielleicht nicht obsolet, aber durchaus nicht in dem Maße vonnöten sind, wie sie zuletzt mit Selbstverständlichkeit gemacht wurden. Außerdem wurde endlich ihr Status hinterfragt. Nicht alle genießen das „Privileg“ der Dienstreise und nicht alle heißen den dadurch entstandenen Mehraufwand an Zeit und Energie gut. Der Verzicht bzw. die Reduktion von Dienstreisen ergibt in unserem Berechnungsbeispiel nochmals eine Einsparung von gut 1 Tonne/MitarbeiterIn pro Jahr. Das spart Energie für die Umwelt und die Mitarbeitenden.
Mit einem Mix verschiedener Maßnahmen kann ich als Betrieb also einen guten und wesentlichen Teil dazu beitragen, dass wir als Gesellschaft unsere Klimaziele erreichen. Wenn ich nun auch noch in der betriebsinternen Kantine auf regionale, saisonale und möglichst vegetarische Bio-Produkte achte, darf ich noch gut 0,5 Tonnen CO2 Emission/MitarbeiterIn jährlich abziehen.
Der Wunsch nach bewusster Ernährung ist ohnehin schon seit einigen Jahren zu einem breiteren Phänomen geworden. Und das Angebot von guter und gesunder Küche ist attraktiv und passt zur zukünftig noch nachhaltigeren Ausrichtung unseres Beispiel-Unternehmens.
Hochwertigeres, biologisches Essen, bessere Anbindungen zum Arbeitsort, ein Büroklima zum Wohlfühlen, ein günstiger Gebäudebetrieb, mehr Zeit zuhause und bewusster auf Dienstreise – so unbequem klingt das eigentlich nicht. Oder?
Die Öko:map macht die vielen unterschiedlichen Stellhebel sichtbar (siehe Gesamtgrafik) und ermöglicht eine transparente Analyse und Bewertung des unternehmenseigenen CO2-Fußabdrucks. So werden Sie als EntscheiderIn handlungsfähig!