Um effektive Maßnahmen zu setzen, geht es darum die Quellen der Emissionen zu identifizieren und zu quantifizieren. Betrachtet man ein Gebäude über seinen gesamten Lebenszyklus – von der Errichtung, über die Nutzungsphase bis hin zum Rückbau – wird in jeder Phase CO2 verursacht (siehe Grafiken).
Die Emissionen teilen sich also grob in zwei Gruppen:
Verbaute Emissionen, die durch die Errichtung, die Rohstoffgewinnung und Baustoffherstellung, aber auch durch Sanierungen entstehen. Während das gesamte Gebäude üblicherweise über einen Zeitraum von 50 Jahren betrachtet wird, müssen einige Komponenten, beispielsweise Anlagen der technischen Gebäudeausstattung, aufgrund von kürzeren Lebensdauern zwischenzeitlich getauscht werden. Auch dieser Ersatz ist den verbauten Emissionen zuzuordnen.1
Emissionen, die durch die Nutzung des Gebäudes entstehen. Hier entstehen zum einen Emissionen, um den Gebäudebetrieb zu gewährleisten – beispielsweise durch Heizen, Kühlen und Lüften – und zum anderen durch die Tätigkeiten und Prozesse der Gebäude-Nutzer:innen.
Die energetischen Verbräuche des Gebäudebetriebs können durch eine erhöhte thermische Qualität der Gebäudehülle beispielsweise positiv beeinflusst werden; wir sprechen hier von rund 50-70 % geringere Energieverbräuche eines Plusenergiegebäudes im Vergleich zu einem Gebäude, das der Energieeinsparungsverordung von 2016 konform umgesetzt wurde. 2
Die anderen, nutzerinduzierten Verbräuche sind eng mit dem Kerngeschäft des Unternehmens verknüpft – sie werden ebenfalls durch das Gebäude (z.B. im Verbrauch von Strom) messbar. Der wesentliche Hebel zur Reduzierung dieser liegt jedoch in der Optimierung der Kerngeschäftsprozesse.
Bei einem klimaneutralen Gebäude ist die Bilanz über alle Treibhausgase des gesamten Lebenszyklus ausgeglichen, es werden also sowohl die materialgebunden Treibhausgase als auch die aus dem Betrieb betrachtet.
Über die letzten Jahre wurde das Augenmerk vor allem auf die Entwicklung von energieeffizienten Gebäuden im Betrieb gerichtet. Die beeindruckenden Auswirkungen dieser Maßnahmen zeigen sich recht anschaulich in der folgenden Grafik. Deutlich wird jedoch auch, dass der Anteil der verbauten Emissionen künftig vor allem bei Neubauten eine immer größere Rolle spielen wird.
Wagen wir einen Blick auf die größten Emittenten innerhalb der Gruppe der materialgebundenen Emissionen, die Beeinflussungsfaktoren und Lösungsansätze.
Der größte Einflussfaktor mit ca. 70 % ist der Rohbau eines Gebäudes, gefolgt von der Fassade. Einen vergleichsweise geringen Anteil macht der Innenausbau aus.4 Der massive Einsatz vom Material, die energieintensive Produktion von Baustoffen und der Transport der Baustoffe zur Baustelle sind wesentliche Faktoren für den CO2-Fußabdruck des Rohbaus.
Folgende (kombinierbare) Lösungsansätze, um die materialgebundenen Emissionen zu reduzieren, sind zielführend:
Suffizienz – So viel um:bauen wie wirklich gebraucht wird: Die Reduktion von gebauter und genutzter Fläche ist einer der größten Hebel. So kann der CO2-Fußabdruck sowohl in der Errichtung als auch im späteren Betrieb ordentlich verkleinert werden: Durch jeden nicht gebauten Quadratmeter werden ca. 500-600 kg CO2-Äquivalente eingespart.5 6
Raum über Generationen hinweg nutzen: Durch die Nutzung leerstehender Immobilien und Sanierung von Bestandsimmobilien können Neubauten vermieden und bereits Gebautes lange im Lebenszyklus gehalten werden. Ist ein Gebäudeabbruch unumgänglich, müssen Gebäudeteile möglichst ausgebaut und im Neubau wiederverwendet werden. Hier steckt enormes ungenutztes Potenzial: In Österreich werden über 60 % der Gesamtabfälle der Bauindustrie zugeschrieben.7
Gebäude als Teil der Wertstoffkette konstruieren: Insbesondere Bürogebäude werden häufig in CO2-intensiver Stahlbetonbauweise errichtet. Obwohl der Holzbau eine drastische Reduzierung der CO2-Emissionen (zwischen 30-70 %) ermöglicht, bringt er auch Herausforderungen mit sich: Eine Deckung des derzeitigen globalen Bauvolumens durch Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft ist nicht realisierbar.8
Die vermehrte Verwendung von ökologisch verträglichen, regionalen Baustoffen wie Stroh oder Lehm neben Recycling-Materialien führt zu einer Reduzierung des CO2-Fußabdrucks der Konstruktion. Unweigerlich ist in den kommenden Jahren auch verstärkt die Forschung nach CO2-reduzierten Materialien gefragt.
Laufende Klimaveränderungen berücksichtigen: Ein häufig unterschätzter Parameter ist die Optimierung von Design und Konstruktion. Ein gut durchdachtes Design zielt auf eine effiziente Traglastverteilung ab, um den Ressourceneinsatz zu minimieren und maximiert den Nutzen von natürlicher Belichtung und Belüftung, um eine energieeffiziente spätere Nutzung zu ermöglichen.
Sprechen wir von Net Zero, müssen folgerichtig die Emissionen des gesamten Lebenszyklus (Betrieb und Konstruktion) betrachten werden und diese den Erträgen gegenüberstellt werden. Bei verbauten Emissionen ist eine Reduzierung auf null kaum realisierbar. Umso wichtiger ist, dass die Materialien so verbaut werden, dass sie am Ende des Lebenszyklus wieder sortenrein trennbar sind und in den Kreislauf zugeführt werden können. Auch gesetzliche Vorgaben zu CO2-Werten der Konstruktion, zusätzlich zum Betrieb, sind ein entscheidender Schritt in Richtung Erreichung der Klimaziele. Dänemark nimmt hier beispielsweise eine Vorreiterrolle durch die Implementierung von gesetzlich bindenden Whole-Life-Carbon-Grenzwerten ein.9
Es ist durchaus möglich bereits in der Planungsphase fundierte Entscheidungen über die Zukunft eines Gebäudes zu treffen und damit sowohl Ressourceneffizienz als auch ökologische Nachhaltigkeit im Betrieb sicherzustellen. Dazu braucht es Daten, aus denen die richtigen Informationen abgeleitet werden können. Der Schlüssel dazu heißt digitales Informationsmanagement (DIM).
Der Einsatz eines zentralen, transparenten BIM-Modells ab der Planungs- und Errichtungsphase macht es möglich, festgelegte Nachhaltigkeitsziele laufend zu überprüfen. Das leistet einen wesentlichen Beitrag zur Reduktion von CO2-Emissionen. Nur so sind relevante Daten schnell verfügbar – egal, ob es um Daten für ESG-Kriterien, Ökobilanzierungen oder Gebäudezertifizierungen geht.
Das BIM-Modell muss bereits in der Planungsphase so aufgebaut sein, dass jedes Element mit materialgebundenen und betriebsrelevanten Informationen versehen ist und über die Errichtungsphase hinweg weiter gepflegt wird, sodass die tatsächlich verbauten Bauteile verortet und korrekt mit Werten befüllt sind.
Am Beispiel unseres Kundenprojekts „Landesdienstleistungszentrum Salzburg“ sehen Sie wie das in der Praxis funktionieren kann:
Wichtig ist dabei zu beachten, dass nicht eine unüberschaubare, später nicht benötigte Fülle an Daten generiert wird, sondern der Fokus auf die wesentlichen Daten gelegt wird. Man muss sich von Beginn an die richtigen Fragen stellen, um ein digitales Informationsmanagement für das entstehende Gebäude aufzubauen, das nicht nur während Planung und Errichtung, sondern auch im Betrieb einen wesentlichen Nutzen zur Instandhaltung mit sich bringt.
Letztlich ist ein vollständiges, digitales Gebäudemodell ein Materieller Gebäudepass, der eine umfassende digitale Dokumentation aller relevanten Informationen zu den im Gebäude verbauten Materialien abbildet. Daten zu Materialzusammensetzung, Herkunft, ökologischen Auswirkungen oder Wartungsanforderungen bilden die Basis für alle weiteren Maßnahmen zum Erhalt, der Weiterentwicklung und dem Rückbau von Gebäuden, sowie der Wiederverwendbarkeit der verbauten Materialien.
Bei der Erreichung von Net Zero im Gebäudebetrieb geht es primär darum:
Energieverbräuche reduzieren (energetische Verbrauchsdaten erfassen und optimieren, Optimierung der Gebäudehülle)
Energieerträge maximieren (erneuerbare Energien einsetzen: Geothermie, Photovoltaik,…)
Um energetische Verbräuche zu reduzieren, braucht es zuallererst sämtliche Verbrauchsdaten zu Strom, Wärme und Wasser. Hierbei sollten Smart Meter eingesetzt werden, denn im Gegensatz zum oft gelebten Erheben von Verbrauchsdaten aus Jahresendabrechnungen der Energieversorger, werden die Verbrauchsdaten regelmäßig, meist monatlich, automatisiert und zur weiteren Nutzung und Auswertung geliefert.
Setzt man nun die Verbrauchsdaten in Relation zu weiteren, statischen Daten (auch Stammdaten genannt) des Gebäudes, wie die Eigenschaften der technischen Gebäudeausstattung oder den vorhandenen Flächen, bekommt man erste Bewertungsgrundlagen der Effizienz des Gebäudebetriebs.
Oft liegen bereits hier die ersten Potenziale der Betriebsoptimierung:
Sind beispielsweise die technischen Anlagen im Gebäude, wie Heizung, Klima und Lüftung optimal eingestellt?
Kennen wir Vor- und Rücklauftemperaturen und Betriebszeiten der Wärmeerzeugung?
Schauen wir auf Drücke und Drehzahlen meiner Lüftungsanlage?
Die Erfahrung zeigt, dass viele technische Anlagen in Gebäuden „in Werkseinstellung“ laufen und den nutzungsbedingten Anforderungen nicht angepasst werden.
Setzt man diese gewonnenen Informationen nun in Kontext mit dynamischen Daten – also Daten, die durch Betrieb und Nutzung des Gebäudes in Echtzeit entstehen (wie z.B. Anlagendaten, Wetterdaten, Raum- und Flächenauslastung) – entstehen entscheidende Informationen, die einen bedarfsgerechten, wirtschaftlichen und damit auch emissionsärmeren Gebäudebetrieb ermöglichen. Somit können Gebäude oder Räume bei Nichtnutzung z.B. in den „Standby-Modus“, also einen aus Betriebsperspektive betrachteten Minimalzustand, versetzt werden.
Durch die Energiewende erleben wir einen Shift von einem zentralisierten Versorgungssystem hin zu einem dezentralen, vernetzten System, dass sich durch eine Bandbreite aus unterschiedlichen, erneuerbaren Energieträgern auszeichnet. Windenergie, Geothermie und Solarenergie sind die weitverbreitetsten erneuerbaren Medien zur Energiegewinnung im Gebäudesektor.
War früher ein Gebäude durchwegs Konsument, wird es nun Erzeuger, der nur im Bedarfsfall auf ein Versorgungsnetz zugreifen muss und teilweise auch in das Netz einspeist. Eine wechselseitige Beziehung entsteht.
Die Wahl, welche erneuerbaren Energieträger im konkreten Fall möglich sind, hängt sehr stark von den lokalen und baulichen Gegebenheiten ab: Verfügbarkeit von Energieträgern im näheren Umfeld, bauliche Möglichkeiten (Bestand vs. Neubau) sowie dem rechtlichen Rahmen. Über die eigenen Gebäudegrenzen hinaus sollte außerdem in Energiegemeinschaften gedacht werden.
Um effektiv zur Dekarbonisierung des Planeten beizutragen, ist es unerlässlich, die Emissionen aus dem gesamten Lebenszyklus von Gebäuden zu berücksichtigen; die Rede ist von „Whole Life Carbon Werten“. Das bedeutet, dass wir nicht nur die Emissionen während des Betriebs von Gebäuden reduzieren müssen, sondern auch diejenigen, die während Herstellung, Renovierung und Abbruch auftreten.
Während sich die Dekarbonisierung des Gebäudebetriebs vor allem rund um das Thema Energieverbrauch und erneuerbare Energien dreht, liegen die Antworten im Bereich verbaute Emissionen im Bereich der Kreislaufwirtschaft, BIM-basierte Planung, Suffizienz und Wiederverwendung von Gebäudeteilen.
All das verlangt Immobilienverantwortlichen eine Haltung ab, in der sie das Ziel der CO2-Reduktion als Entscheidungsparameter mitführen – unabhängig von der aktuellen Lebenszyklusphase der Immobilie. Net Zero muss als Bewertungskriterium
zur Standortwahl,
für die Budgetvorgabe in Planungswettbewerben,
in der Optimierung der Gebäudestrukturen und bei Ökobilanzen durch Building Information Modeling (BIM),
zur Berücksichtigung wesentlicher Mess- und Steuerungstechnik in Planungsphasen, um Betriebsdaten verfügbar zu machen und
in der ständigen Optimierung der Verbräuche während des Betriebs mithilfe eines digitalen Informationsmanagements (DIM)
fest verankert werden.
Aus unserer Sicht entsteht dann ein enormes Potenzial, um den CO2-Fußabdruck von Immobilien zu reduzieren und die Ziele des Klimaschutzes zu erreichen, wenn Nutzer:innen-Verhalten und Immobilie ineinandergreifen. Heißt: Wenn ein energie- und ressourcenschonender Umgang der Nutzer:innen auf eine energieeffiziente und klimaschonende Gebäudeinfrastruktur trifft.