Das bisherige take-make-waste Prinzip befindet sich auf Kollisionskurs mit den Belastungsgrenzen unseres Planeten. Gewinnung und Verarbeitung von Ressourcen sind für mehr als 90% des weltweiten Biodiversitätsverlusts und mehr als die Hälfte aller Treibhausgasemissionen verantwortlich. Unser Ressourcenverbrauch hierzulande entspricht dem Bestand von 3 Erden.1
In Deutschland werden mehr als 70% der abgebauten Rohstoffe für die Bauindustrie verwendet. Bei Kiesen, Sanden und gebrochenen Natursteinen sind es 95%, welche in der Bauindustrie genutzt werden.2
Das klingt an sich noch nicht problematisch, denn man möchte meinen, dass Sand und Kies in ausreichenden Mengen verfügbar sind. Jedoch - und hier liegt das Problem - steht die geologisch ausreichende Menge nur zum Teil für den Abbau zur Verfügung, denn viele Sand- und Kiesvorkommen liegen entweder unter bebauter Fläche oder in Naturschutzgebieten. Bei Metallerzen werden sogar nahezu 100% der Ressourcen für Deutschland importiert, ein Drittel davon wird für den Bausektor verwendet.3
Kritische Rohstoffe kommen zudem oft aus politisch instabilen Ländern und Lieferketten sind häufig nicht transparent, was enorme Folgen für die Abbaugebiete hat. Zusätzlich zeichnet die Bauindustrie für einen Großteil des Abfallaufkommens verantwortlich. Die Deponiekapazitäten sind jedoch begrenzt und werden immer knapper.
Alle Länder, die kritische Rohstoffe bereitstellen, nach Entwicklungsstatus und politischer Stabilität gruppiert, 2017
Zusammensetzung des österreichischen Gesamtabfallaufkommens im Jahr 2020 nach Abfallgruppen
Das bedeutet, dass wir zukünftig immer öfter nicht nur mit einer Knappheit am Anfang (bei der Ressourcenverfügbarkeit), sondern auch mit einer Knappheit am Ende des Produkt-Lebenszyklus (bei den Deponiekapazitäten) konfrontiert sein werden bzw. schon sind.
Wie es uns gelingen kann, das Konzept der Kreislauffähigkeit in der Gestaltung, Nutzung und dem Betrieb von Gebäuden und Arbeitswelten umzusetzen, zeigen wir anhand konkreter Handlungsfelder.
Um den Ressourceneinsatz für Gebäude zu minimieren, ist das wichtigste Ziel die Reduktion von Neubauten. Die Frage, die es zu beantworten gilt, lautet: Wie kann mein Bedarf mit bereits existierenden Räumen oder Gebäuden gedeckt werden? Insbesondere der Rohbau ist voller Ressourcen und Primärenergie. Studien zeigen, dass sich mit Bestanderhalt der Tragstruktur (Rohbau) 67% der CO2-Emissionen reduzieren lassen:
Ein Gebäude besteht aus unterschiedlichsten Materialien. Sie weisen Unterschiede in Hinblick auf Entstehung, Verfügbarkeit, Lebensdauer, Umweltwirkungen (graue Emissionen), Verwertungs- sowie Wieder- und Weiterverwendungsmöglichkeiten auf. Aber nicht alle Produkte, die beispielsweise einen sehr hohen Primärenergieverbrauch in der Herstellung haben, sind per se als schlecht einzustufen, da sie sich problemlos und beliebig oft recyclen lassen.
90% der Baurestmassen in den betrachteten Gebäuden (siehe Grafik) bestehen aus nur drei Materialien:
Es gilt für diese drei Stoffgruppen Kreisläufe zu schaffen. Abgerissener Beton wird jedoch oft nur downgecycelt.
Bei Keramik und Naturstein ist die Wiederverwertbarkeit sehr stark projekt- und produktabhängig, erläuterte Luise von Zimmermann, Expertin von concular in unserem Webinar zum Thema „Kreisläufe denken“ am 20. Juni 2023. Es hängt also davon ab, wie die Produkte verbaut wurden und sich entsprechend wieder lösen lassen.
Gebäude werden für die Montage konzipiert, die Demontage und Anpassbarkeit wird jedoch selten in der Planung berücksichtigt.
Was in der Planung beginnt, setzt sich in der Bilanz fort
Zudem wird der Restwert eines Gebäudes vorwiegend negativ bilanziert. Nach ihrer Abschreibung werden Gebäude üblicherweise kostenintensiv abgebrochen, stattdessen müssen wir Gebäude aber als Rohstofflager, als „urbane Minen“, sehen. Viele dieser Rohstoffe haben, auch nach Nutzungsende des Gebäudes, noch einen signifikanten Wert.
Diese Prinzipien gilt es auf zukünftige Planungen zu übertragen:
Damit werden viele Akteur:innen zum Umdenken aufgerufen:
Zu guter Letzt liegt es an den Auftraggeber:innen von Bauprojekten, diese Transformation in Gang zu setzen, indem sie die Nachfrage nach zirkulärem Design, Sekundärroh- und -baustoffen anzukurbeln.
Die Digitalisierung bietet eine Vielzahl von Möglichkeiten, um die Umsetzung der zirkulären Wertschöpfung im Bauwesen zu unterstützen. Mit Methoden der künstlichen Intelligenz können wir ressourcen- und energieeffizient – ja, -neutral! – planen und bauen. Building Information Modeling (BIM) spielt hier eine entscheidende Rolle.
Durch Materialtracking (RFID-Tags, QR-Codes oder anderen Tracking-Technologien) können Materialien im Bauwesen nachverfolgt werden, um ihre Quellen zu verifizieren und sicherzustellen, dass die Materialien tatsächlich wiederverwendet werden.
Um unsere Städte als urbane Minen zu aktivieren, muss die Akzeptanz für Sekundärprodukte erhöht, sowie regionale Rohstoffbörsen etabliert werden. Regionalität ist besonders wichtig. Es gilt lange Transportwege der Materialien zu vermeiden.
Beim Betrieb unserer Gebäude geht es vor allem darum den Bestand zu schützen. Dabei spielt das nachhaltige Betreiben eine große Rolle. Sowohl Wartungsfreundlichkeit als auch der sorgfältige und bedarfsgerechte Einsatz von technischen Anlagen kann die Lebensdauer erheblich verlängern. Durch den einfachen Tausch von Komponenten und beispielsweise Rücknahmegarantien der Hersteller können Abfälle vermieden und Kreisläufe geschlossen werden.
In den letzten Jahren wurden die Facility Services vor allem durch Kostendruck geprägt. Und dies hatte in erster Linie prekäre wirtschaftliche Bedingungen auf Seiten der Dienstleister:innen und Qualitätseinbußen auf Seiten der Auftraggeber:innen zur Folge - niemand gewinnt. Daher braucht es auch im Gebäudebetrieb einen Mind:shift hin zur Beschaffung nach sozialen und ökologischen Kriterien.
Unternehmen haben die Verantwortung, bedeutende Veränderungen bewirken zu können. Darüber hinaus kann ein nachhaltiger Ansatz die Attraktivität eines Unternehmens verbessern und die Marke stärken. Ein solider Nachhaltigkeitsplan kann Talente anziehen, die Mitarbeiter:innenbindung erhöhen und ein positives Arbeitsumfeld fördern. Er kann dazu beitragen, eine Kultur der Nachhaltigkeit innerhalb der Organisation zu etablieren und die Mitarbeiter:innen zu inspirieren, ähnliche Praktiken in ihrem persönlichen Leben anzuwenden, wie zum Beispiel Hardware wie Laptops oder Handys länger in Verwendung zu haben oder gebraucht zu kaufen und dem Modernisierungsstress6 entgegenzuwirken.
Diese Initiativen tragen nicht nur dazu bei, den ökologischen Fußabdruck der Organisation zu verringern, sondern sind auch eine ständige, sichtbare Erinnerung für die Mitarbeiter:innen an die Bedeutung der Nachhaltigkeit und die Grundsätze der Kreislaufwirtschaft.
Alarmierende Zahlen zu Abfallaufkommen und Ressourcenknappheit, sowie die daraus resultierenden Lieferengpässe und Preiserhöhungen sind nur einige Gründe, die für einen notwendigen Paradigmenwechsel in der Bauwirtschaft sprechen.
Die Kreislaufwirtschaft im Baubereich als Lösungskonzept ist mehr als nur der Rückbau von Gebäuden. Es braucht einen Blick aus allen drei Bereichen: Gestalten, Nutzen, Betreiben.
Ein Unternehmen, das in der Zirkularität von Produkten, Materialien und Komponenten einen Mehrwert erkennt, Gebäude und Raum über Generationen hinweg nutzt, bewusst handelt und ökologisch beschafft, Abfälle als Wertstoffe behandelt, dazu eine Story erzählen kann, die seinen Mitarbeiter:innen und seinem Umfeld Sinn vermittelt, kann ein Feuer entfachen.
Dieses Feuer wirkt auf den Markenkern, macht Unternehmen zukunftsfähig und es bringt uns Menschen und die Gesellschaft weiter in Richtung einer lebenswerten Zukunft.