Multi-Space-Büros werden heiß diskutiert und kaum jemand hat keine Meinung: Von den einen wird es als Lösung aller Probleme von Organisationen hochgepriesen (Stichwort: Aufbrechen von Silos, Verflachung von Hierarchien). Von den anderen hingegen wird es als Ursache allen Übels für Mitarbeitende abgestempelt (Stichwort: Lärmbelastung, fehlende Privatsphäre).
Fest steht: Ja, die Büroumgebung hat großen Einfluss auf die Gesundheit der Mitarbeitenden. Jedoch nicht das Bürokonzept per se entscheidet über die Gesundheit der Mitarbeitenden, sondern
Multi-Space ist also nicht gleich Multi-Space. An den Anforderungen der Organisation ausgerichtete und professionell eingeführte Konzepte verhindern nicht nur Krankheit durch Reduktion von Stressoren, sondern können sogar gesundheitsförderlich wirken. So profitieren MitarbeiterInnen und das Unternehmen gleichermaßen.
Bei M.O.O.CON betrachten wir grundsätzlich Mensch, Organisation und Objekt auf jeder Ebene als Ansatzpunkte zur Förderung der Gesundheit.
In einer tätigkeitsorientierten Arbeitswelt kann eine Arbeitsumgebung nicht nur nach anstehender Tätigkeit, sondern auch nach persönlicher Präferenz frei gewählt werden. Mitarbeitende minimieren und kontrollieren so direkt ihre Stressoren bei der Wahl der Arbeitsumgebung.
Dazu muss man sich jedoch selbst kennenlernen und gleichzeitig die eigenen Kompetenzen (z.B. Medien-, Raum-, Sozialkompetenz)2 zur Bewältigung von Spannungszuständen ausbauen. Mit der Förderung entsprechender Kompetenzen durch Prozessbegleitung und Personalentwicklungsmaßnahmen empfinden Mitarbeitende ihre Multi-Space-Welt als bewältigbar und stärken ihre positiven Grundannahmen und Erfahrungen.
Der Mensch ist ein soziales Wesen. Wenn nun Mitarbeitende flexibel und mobil im und außerhalb des Multi-Space-Büros arbeiten, sehen sich Teammitglieder seltener und es lauert die Gefahr „gemeinsam einsam“ zu arbeiten.
Als wichtige Stellhebel stehen diesen Herausforderungen Teamvereinbarungen und -rituale sowie eine starke Führungskultur entgegen. Gibt es einen gemeinsamen Office-Tag? Treffen wir uns vormittags um 11 Uhr für ein Daily in der Kaffeeküche bzw. in einem hybriden Meeting? Wie viel Homeoffice ist ok?
Das alles (und noch mehr) hilft Stressoren im Arbeitsalltag zu erkennen, zu besprechen und gemeinsam Maßnahmen einzuleiten. Es gilt, die Team- und Führungskultur regelmäßig zu reflektieren und weiterzuentwickeln, um Gesundheit zu erhalten.
Eine räumliche Veränderung ist immer als ein unterstützendes Element zur Umsetzung der Unternehmensstrategie zu verstehen. Fehlt diese, ist den Mitarbeitenden nur unzureichend bekannt oder widerspricht sie gar dem Raumkonzept, wird die (Arbeits-)Welt als weniger sinnvoll erachtet. Hat sich eine Organisation beispielsweise „flache Hierarchien“ auf die Fahnen geschrieben und ordnet im Raumkonzept Führungskräften jeweils ein großzügiges, individuell zugeordnetes Einzelbüro zu, sorgt dies voraussichtlich für Unverständnis.
Stehen Unternehmensstrategie und die Umsetzung des tätigkeitsorientierten Arbeitskonzepts im konsequenten Einklang und werden durch eine entsprechende Betriebsvereinbarung ergänzt, wirkt es als Treiber der Strategie3. MitarbeiterInnen nehmen ihre Organisationswelt als verstehbar und sinnvoll wahr, was Spannungszustände und somit mögliches Erleben von Stress verringert. Partizipative Elemente im Gestaltungsprozess können diese Wirkung noch weiter verstärken und Wertschätzung gegenüber den MitarbeiterInnen ausdrücken.
Arbeitsstättenrichtlinien und -verordnungen regeln die Mindestvorschriften von Büroeinrichtungen und -betrieb, um „Beschäftigte in Arbeitsstätten zu schützen und zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten beizutragen."4
Der WELL-Building-Standard geht weiter: Es ist „das erste Bewertungssystem, das sich ausschließlich auf das Ziel konzentriert, mit der Gestaltung von Gebäuden und Innenräumen positiven Einfluss auf […] die Gesundheit […] zu nehmen.“5 Auch Multi-Space-Büros sollten die WELL-Kriterien zur Gesundheitsförderung berücksichtigen.
Durch eine gute Umsetzung der räumlichen Gestaltung können Stressoren minimiert und Bewältigungsmöglichkeiten leicht verfügbar gemacht werden.
Als gesundheitsförderlich gelten demnach beispielsweise:6
Ein Designkonzept mit moderaten Farben, das unterschiedliche Zonen (stille Zone, kommunikative Zone) voneinander abgrenzt.
Unterbrechung von langen Sichtachsen in offenen Flächen.
Berücksichtigung von Pflanzen im Konzept.
Positionierung von länger genutzten Arbeitsumgebungen (z.B. Standardarbeitsplätze) an der Fassade.
Ausrichtung der Arbeitsumgebung, sodass Türen nicht im Rücken sind und Bildschirme nicht leicht eingesehen werden können.
Außerdem ist es unerlässlich, dass eine passende Mischung aus offenen und geschlossenen Räumlichkeiten zur Verfügung steht. Mitarbeitende können dadurch selbst regulieren, wie viel die Umgebung mitkriegen darf. Für private, vertrauliche Gespräche und erhöhte Konzentration muss man sich genauso zurückziehen können, wie man in der offenen Fläche gemeinsam mit oder neben anderen arbeiten und sich bewusst nicht sozial isolieren möchte.
Auch durch die Ausstattung von Multi-Space-Büros können Stressoren auf vielfältige Weise reduziert und die Bewältigung der Spannungszustände unterstützt werden:7
Die Wichtigkeit von Ergonomie für die Gesundheit ist klar. Was dem tätigkeitsorientierten Arbeiten zusätzlich zugute kommt: „Die beste Haltung ist die nächste Haltung.“ Regelmäßiger Wechsel von Sitzangeboten und Bewegung fördern die Gesundheit.
Häufiges Bedenken ist das Ausgeliefertsein an automatisierte, smarte Technik, die zwar objektiv oder kollektiv als „richtig“ empfunden wird, aber nicht unbedingt den individuellen Bedürfnissen entspricht.
> Typisches Beispiel ist die Temperatureinstellung von Klimaanlagen. Neben der Gefahr von Krankheit durch Unterkühlung, kommt das Gefühl der Unkontrollierbarkeit als Stressor hinzu. Abhilfe kann durch wärmere und kühlere Bereiche geschaffen werden, die entsprechend ausgewiesen sind.
> Unterschiede im Bedarf nach Frischluftzufuhr können durch die Möglichkeit, Fenster zu öffnen, abgefedert werden. Insbesondere in Zeiten von und nach Corona spielt dies eine wichtige Rolle (siehe auch unseren Artikel "Gesunde Räume: Minimierung des Infektionsrisikos im Büro").
Eine weitere Herausforderung kann der Stressor Lärmpegel im Büro in offenen Flächen sein. Es besteht die Gefahr, dass mindestens einer der KollegInnen in der direkten Umgebung gerade stört.
> Hier helfen akustisch wirksame Elemente wie etwa Trennwände, Wand- oder Deckenelemente sowie entsprechende Technik wie eine „White Noise Anlage“.
> Die wirksamste Lösung ist der Wechsel von kommunikativen Flächen und Flächen für konzentrierte Arbeit.
> In kurzen Distanzen zu offenen Flächen sollten ausreichend geschlossene Räume zur Verfügung stehen, um sich bei Bedarf jederzeit zurückziehen und akustisch abschirmen zu können.
Kein Bürokonzept ist perfekt – doch ein tätigkeitsorientiertes Bürokonzept, das mit den Arbeitsweisen von mobilem und flexiblem Arbeiten Hand in Hand geht, bedarfsgerecht gestaltet und begleitet wird, unterstützt maßgeblich.
Gefahren einer schlechten Umsetzung oder unzureichenden Kulturentwicklung lauern durchaus und müssen stets miteinander gedacht werden: Selbst eine noch so gute Umsetzung kann ohne unterstützende Kulturentwicklung nicht funktionieren. Deshalb sollte der derzeitige Schwung nicht einfach genutzt, sondern gut genutzt werden. Dadurch werden nicht nur Kulturthemen angestoßen, es kann auch bereits im Büroalltag gemeinsam geübt und Erfahrungen zu einem guten Umgang gesammelt werden. Schließlich kann gemeinsam mit dem Bewusstsein, dass der Prozess auf allen Ebenen nicht mit dem Umzug in eine neue Fläche endet, die Gesundheit nicht nur erhalten, sondern auch aktiv gefördert werden.