19.7.2022

Das Ende der Bodenversiegelung

In der Arbeitsgruppe "Zukunftsfähige Raum- und Quartiersentwicklung" der IG Lebenszyklus Bau erarbeiten wir konkrete Maßnahmen, wie wir Boden zurückgewinnen und damit der Flächenversiegelung eine Ende bereiten können. Denn wenn wir weiter ohne Einschränkung, bauen ist die Gefahr groß, uns in Grund und Boden zu versiegeln. Dieser Beitrag erklärt das Problem, unsere Forderungen in der Arbeitsgruppe sowie Lösungsansätze.

MIT unseren fünf PRÄMISSEN FÜR ZUKUNFTSFÄHIGE GEBÄUDE HABEN UNTERNEHMEN EINEN GROSSEN „C2-HEBEL“ IN DER HAND. die prämissen "so viel bauen wie wir wirklich brauchen" und "raum über generationen hinweg nutzen" haben unmittelbar mit bodenversiegelung zu tun. © M.O.O.CON

Bodenversiegelung - kurz erklärt

Boden- oder Flächenversiegelung deckt den Boden luft- und wasserdicht ab, wodurch Regenwasser nicht oder nur erschwert versickern kann, was den Gasaustausch des Bodens mit der Erdatmosphäre hemmt. Nicht nur Gebäude oder Straßen brauchen versiegelten Boden, sondern auch unbebaute Flächen, die teilweise mit Beton, Asphalt, Pflastersteinen oder wassergebundenen Decken befestigt sind.1 Regenwasser kann so weniger gut eindringen und die Grundwasservorräte auffüllen. Außerdem steigt das Risiko zu Überschwemmungen, da bei starken Regenfällen die Kanalisation die Wassermassen nicht fassen kann. Versiegelte Böden können darüber hinaus kein Wasser verdunsten, tragen im Sommer daher nicht zur Kühlung der Luft bei und beeinträchtigen damit die natürliche Bodenfruchtbarkeit.

Die aktuelle Lage

  • nur 37 % der Oberfläche unseres Landes sind Dauersiedlungsraum und als Wohnraum oder für Landwirtschaft nutzbar,
  • wovon 18 % für Infrastruktur und Gebäude verbraucht sind, etwa 40 % davon sind versiegelt.

Da Grund und Boden die einzigen nicht erneuerbaren Ressourcen sind, die zum Bauen verfügbar sind, besteht dringender Handlungsbedarf!

Boden zurückgewinnen

Unsere Lösungsansätze

Neue Bodenordnung für Österreich

Seit Jahren ist die Umsetzung einer neuen Bodenordnung ein ungelöstes Thema. Ein Lösungsansatz ist, die Politik in die Pflicht zu nehmen und eine sofortige Reform aller in Österreich gültigen Bauordnungen und Stellplatzverordnungen einzufordern. Schon lange wird gefordert, Grund und Boden als "Ware" aus dem Markt zu nehmen. In den letzten vier Jahren ist der Wert von Bauland in Österreich im Schnitt um 11,5 % pro Jahr gestiegen, während die Inflation bis 2021 bei 2,5 % lag. Dies führt zu einer hohen Nachfrage nach Grundstücken in Österreich, folglich zu deren Verknappung und im Endeffekt zu exorbitant hohen Grundstückspreisen.

Christoph Müller-Thiede, Partner bei M.O.O.CON und Vorstandsmitglied der IG Lebenszyklus Bau

Eine unserer Prämissen bei M.O.O.CON ist "so viel (um)bauen wie du wirklich brauchst" - also bedarfsgerecht. Das steht im direkten Zusammenhang mit unserer Forderung in der IG Lebenszyklus Bau, keinen leistungslosen Profit des bloßen Grundeigentums zuzulassen.

Belebung der Ortskerne

In unserer Arbeitsgruppe „Zukunftsfähige Raum- und Quartiersentwicklung“ setzen wir die Diskussion sogar noch früher an, nämlich beim Vermeiden von Neubau bzw. dem drastischen Reduzieren des Neubauvolumens, sowie dem Vermeiden von Neuversiegelung durch Aktivieren des Leerstands in österreichischen Ortskernen.

Durch die Aktivierung des Leerstands erreichen wir, nicht nur keine neue Flächen zu versiegeln, sondern auch die Nutzung der schon vorhandenen Infrastruktur. Durch gleichzeitiges Erhöhen der Dichte von bereits vorhandenen Quartieren wird dieser positive Effekt verdoppelt. Es werden lebendige und atmosphärisch attraktive Umgebungen geschaffen und die Mobiliät reduziert. Dies wird durch die adäquate multifunktionale Programmierung der Ortskerne mit den Themen Arbeit, Wohnen, Einkaufen, Freizeit und ärztlicher Versorgung erreicht.

Keine neue Versiegelung

Die Zielsetzung ist eine Nettoneuversiegelung von null. Das heißt, jeder Quadratmeter, der neu versiegelt wird, muss andernorts entsiegelt werden. Uns ist klar, dass das weder leicht noch günstig ist - der Rückgewinn ist aber erreichbar! Dazu muss es politische Systeme als Anreiz oder konkrete Handlungsempfehlungen geben. Nicht mehr die Allgemeinheit sollte zukünftig die Infrastruktur für neu gewidmete Einfamilienhausgebiete (inklusive Kanäle, Straßen, Leitungen, etc.) tragen, sondern die Bauwerber:innen selbst. Wenn sie Häuser in Gebieten entwickeln, die nur mangelhaft vom öffentlichen Nahverkehr erschlossen sind, sollten die Bauwerber:innen auch einen Beitrag zur Mobilität zahlen. Über Anreizmodelle und Förderungen zur Programmierung multifunktionaler Dörfer und Quartiere müssen auch die Landeshauptleute und Bürgermeister:innen nachdenken.

Mit diesen Lösungsansätzen kann einiges möglich werden. Sofern wir jetzt damit beginnen!

Unser Wissen

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