Die Identität beschreibt grundlegend das Wesen und die Ziele einer Organisation und der sie später umgebenden Arbeitswelt. Danach folgt die Gestalt, die die Arbeitswelt annimmt. Wir plädieren klar für die Ableitung der Gestalt von der Identität. Denn bekommt ein Unternehmen eine Arbeitswelt bloß "übergestülpt", die nicht zu ihrer Identität passt, erhält es eine ästhetisch und funktional unpassende Gestalt, die folglich zu "unpassendem" Verhalten führt. Die Arbeitswelt muss also aus der untersuchten Identität des Unternehmens erwachsen und in die Ausprägung der Gestalt und Leistungsfähigkeit übersetzt werden. Am Markt beobachten wir jedoch verschiedene Formen der Umsetzung:
Auftrittsorientierte Identitätsvermittlung
Flexibilitätsorientierte Flächeneffizienz
Revolutionäre Gesamtbetrachtung
Im Fokus steht der Ausdruck der Unternehmenskultur. Kriterien zur Verbesserung der Flächeneffizienz sind untergewichtet. Die wichtigsten Kriterien, nach denen hier gestaltet wird, sind nach unserer Beobachtung:
Kultur: Wahrnehmbarkeit des Corporate Spirit, Verstärkung der gewünschten Werte.
Marke: Erkennbarkeit der Corporate Brand.
Soziales: Verstärkung des Gemeinsamen, Stolz auf Unternehmen, Identifikation/Bildung, Wohlfühlen.
Megatrends: Orientierung an langfristigen Entwicklungen.
Auffälliges Kennzeichen ist der große Wert, der auf die sinnlich wahrnehmbare Gestaltung der Arbeitswelt gelegt wird. Unseren Untersuchungen nach werden Konzepte dieser Art vorwiegend in Unternehmen umgesetzt, die:
ein starkes Bestreben haben, ihre kulturelle Identität nach innen und außen durch Gestaltung auszudrücken,
sich in Branchen oder an Standorten mit vielen (scheinbar) vergleichbaren Unternehmen im War of Talents mit anderen Unternehmen befinden und so
eine extrem hohe Bindung emotionaler und dauerhafter Natur zu ihren MitarbeiterInnen aufbauen wollen und daher
die Arbeitswelt als integratives Angebot verstehen und
in Branchen und mit Themen unterwegs sind, die einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Kreativleistung aufweisen.
Im Vordergrund steht nicht die maximale Flächeneffizienz. Beim Google EMEA Hub in Zürich gibt es beispielsweise kein Desk Sharing: Jede und jeder Angestellte hat ihren bzw. seinen fixen Arbeitsplatz.
Die Musikbühne bei Google in der Schweiz. In Logofarben gestaltet, gut ausgestattet und für alle offen. Ein Beispiel für auftrittsorientierte Identitätsvermittlung. © Google
Ein weiteres Beispiel bei BMW: Die Produktpräsenz trägt zum Spirit bei. © BMW
Die wichtigsten Kriterien sind hier:
Wirtschaftlichkeit: Fokus aus Flächeneffizienz.
Struktur & Funktion: hier vor allem Flexibilität, Offenheit und Transparenz, Förderung der Kommunikation.
Arbeitskonzept: hohe Aufmerksamkeit auf Mobilität extern/intern, vernetzen, zusammenarbeiten.
Der wesentliche Impuls entsteht durch die externe Mobilität der MitarbeiterInnen und der damit einhergehenden geringeren Präsenz vor Ort. Daraus resultiert die Chance eines dynamischeren Umgangs mit der Belegung von Arbeitsplätzen und der Nutzung von Raum- und Flächenressourcen. Diese Konzepte zeichnen sich durch das Ziel aus, einen der wesentlichen Kostentreiber – die Fläche – zu reduzieren. Einsparungen im Bereich 20-30 Prozent sind realistisch.
Die Flexibilität dieses Modells kann soziale Anforderungen, wie beispielsweise Work-Life-Balance, oder einen neuen Workflow unterstützen. Da aber Raum und Fläche wesentliche Medien zur Vermittlung der Unternehmensidentität sind, gehen mit einer geringeren Anwesenheit der MitarbeiterInnen auch die Gelegenheiten zur persönlichen Kommunikation mit KollegInnen und die Chance zum Aufbau von Bindung an das Unternehmen zurück. Eine Herausfordergung besteht darin, Werte und Kultur über das Verhalten, Führungsstil und Kommunikation nachhaltig zu vermitteln. Dazu werden oftmals identitätsstiftende Elemente in Bereichen, die oft frequentiert werden, integriert oder vom Ort losgelöste Mittel zur Verfügung gestellt – zum Beispiel: die eigenen Produkte.
Vorsicht ist jedoch geboten, den Gedanken der Flächenreduktion als "Hidden Agenda" hinter dem Kommunikationsauftritt "Faire Work-Life-Balance" zu verstecken. Solche Ansätze haben in der Praxis eine kurze Halbwertszeit.
Module als "Räume im Raum" bieten Rückzugsorte zum konzentrierten Arbeiten. Gleichzeitig ist man ansprechbar – ein Beispiel flexibler Flächengestaltung bei einem M.O.O.CON Projekt. © GlaxoSmithKline
Werte als gestalteter Text – MitarbeiterInnen können sich bei Siemens "bei den Werten" für Meetings verabreden. © Siemens
Hier entdeckten wir ein grundsätzliches Hinterfragen alter Ordnungen und die Bereitschaft neue Wege zu gehen, um die Unternehmensziele zu erreichen. Dazu gehört, dass neue Arbeitskonzepte realisiert werden, die die Organisation auf ein neues Niveau heben. Und zwar hinsichtlich:
Wirtschaftlichkeit mit dem Ziel des Unternehmenserfolgs,
Struktur mit dem Ziel der Produktivität,
Soziales mit dem Ziel der Attraktivität als ArbeitsgeberIn und
Kultur mit dem Ziel der Authentizität.
Als wesentliche Kriterien erkennen wir hier:
Die Arbeitswelt als Ausdruck des Wesens des Unternehmens – ob Verstärkung der Historie oder Neupositionierung und Paradigmenwechsel.
Kompromisslose Orientierung an der bestmöglichen Erfüllung des Kerngeschäfts.
Durchdachtes Arbeitskonzept durch das Angebot von verschiedenen Arbeitsmöglichkeiten und klaren Regeln zur Nutzung dieser.
Erhöhte Wirtschaftlichkeit durch Flächeneffizienz, Betriebskostenoptimierung und Steigerung der Performance sowie Werterhaltung.
Das Wesen dieser Kategorie ist, dass hier das Unternehmen mit seiner DNA als Ausgangspunkt die Gestaltung der Arbeitswelt bestimmt, und nicht eine Optimierung von Teilen stattfindet, sondern von radikal allem. Hier findet das Denken von innen nach außen statt. Es kann sein, dass Arbeitsprozesse und ihre Strukturen neu zusammengesetzt werden, was auch in das Entstehen eines neuen Gebäudes münden kann, das sowohl die beste „Hülle“ für die Organisation und zugleich ein Identitätsstatement ist. Ein anderes, radikal neues Büronutzungskonzept mit neuer Infrastruktur in einer neuen Qualität.
Bei der Umsetzung dieser neuen Welten, werden nicht länger Räume bezogen oder Bereiche einfach umgestaltet, sondern die ausgelösten Veränderungen werden zu Recht als komplexe Change Prozesse begriffen, die zum einen auf das Verhalten der MitarbeiterInnen und zum anderen auf das der Verantwortlichen, die diese neuen Arbeitswelten bereitstellen und betreiben, wirken.
Nuon hat in Amsterdam zwar aus Nachhaltigkeitsgründen ein bestehendes Gebäude bezogen, aber durch den Standortwechsel eine völlig neue, andere Arbeitswelt geschaffen. © Rick Geenjaar / Procore
Der Neubau von Axel Springer in Berlin wird die kulturelle Transformation des Unternehmens zum führenden digitalen Verlag fördern. Das hier abgebildete Atrium wirkt auf die Menschen und die Organisation. Ein M.O.O.CON Projekt. © Rem Koolhaas / OMA
Erkenntnis: Ja, es lassen sich Strukturen ablesen. In der Regel entdeckten wir bei jeder neuen Arbeitswelt Elemente aus jeder der vorgestellten Kategorien. Jeder Work Space ist eine hoch individuelle Lösung – ein bestimmtes Merkmal einer unserer drei Kategorien dominiert jedoch immer.
Erkenntnis: Wir erkennen eine Regel. Je differenzierter das Anforderungsprofil einer Organisation, desto individueller die Lösungen.
Erkenntnis: Nahezu alle von uns betrachteten Arbeitswelten zeichnen sich durch eine sehr hohe Nutzungsqualität und unerwartete Flächeneffizienz aus. Auch die Wirtschaftlichkeit ist beeindruckend.
Erkenntnis: Zwischen Unternehmen und ihrer Infrastruktur (darunter verstehen wir das Gebäude und die dazugehörigen Services) besteht eine Wechselwirkung, die man nicht ignorieren darf. Die Gestaltung von Arbeitswelten wird zunehmend als aktiv einzusetzendes Managementinstrument verstanden. Die hohe Schule besteht darin, mit der Arbeitswelt die Identität des Unternehmens auszudrücken und auch zu prägen.
Die Entwicklung neuer Arbeitswelten mit der Ambition, die eigene Identität neu wirken zu lassen ist ein Erneuerungsprozess. Und seine Prozessqualität beeinflusst die Ergebnisqualität.