Ich höre mich auf dem Vorplatz der Firma noch einmal tief Luft holen. Mein Blick gleitet dabei die funktionale Gebäudefassade entlang und ich ertappe mich beim Lächeln. Es steht diesem Gebäude offen ins Gesicht geschrieben, was wir hier tun und immer schon getan haben. Die meisten sind sich einig, dass unser Firmensitz nicht besonders schön ist, aber dieses Objekt besitzt dennoch eine starke Ausstrahlung. Wir nennen es liebevoll unsere Festung, weil ihr die Wirren der Zeit nichts anhaben können. Ihre hochragende Front gibt bereits Generationen von Menschen einen stabilen Arbeitsplatz und Ankerpunkt im Leben.
Tagtäglich erwartet uns dieser beständige Ort, um unser Schaffen mit seiner ausgeklügelten, kleinteiligen Struktur in geordnete Bahnen zu lenken. Im Eingangsbereich, wo wir zielstrebig schwarmweise eintreffen, vermischt sich der Hall unserer Schuhe. Wir sind wie ein routiniertes Orchester. Wir treffen fast synchron ein, nicken einander freundlich zu und stimmen uns täglich auf den jeweils zugewiesenen Part ein. Wir wissen, worauf es ankommt. Es funktioniert in etwa so wie das Spielen eines Klassikers: Ein altbewährter Publikumserfolg wird dafür geliebt, dass es keine Überraschungen gibt, die Partitur wird gewissenhaft eingehalten, genauso wie die Sitzordnung im Orchester, und dem Dirigenten wird mit großer Ehrfurcht gefolgt.
Unsere Bürotüren schwingen fast synchron auf und öffnen sich auf das polierte Linoleum, das beim Eintreten unseren Schritt dämpft. Die Räume strahlen Ruhe aus, alles hier hat seinen Platz und seine Funktion. Das leise Surren der PCs wirkt wie die beruhigende Präsenz einer schnurrenden elektronischen Hauskatze, die uns wohlwollend Gesellschaft bei unserer Arbeit leistet. In diesem Haus, in unserer Festung, ist alles klar und abgegrenzt: sowohl die Arbeitsprozesse und die Zuständigkeiten als auch die Räumlichkeiten, die unseren jeweiligen Funktionen im Unternehmen angepasst sind.
Bei meiner Tätigkeit ist es zum Beispiel entscheidend, dass ich mich strikt an die Anweisungen halte und mich auf meine mir zugewiesenen Aufgaben ohne Ablenkung konzentrieren kann. Wir tauschen uns aber jeden Montag um 08:00 morgens im Abteilungsmeeting aus. Niemand wird dafür schief angeschaut, weil die Bürotür zu ist. Es wäre auch nie so, dass sich KundInnen plötzlich hineinverirren, weil wir für unseren KundInnenkontakt gleich beim Eingang die entsprechenden Räumlichkeiten dafür geschaffen haben.
Dementsprechend ist auch der Umgang miteinander. Wir machen in der Abteilung unser Ding. Was wir hier tun ist vertraulich und dringt nicht über die Wände unserer Teeküche und unserer Abteilung hinaus. Wir mischen uns bei den anderen Gruppen auch nicht ein, die haben ihre eigenen Bereiche, sowohl räumlich als auch was ihre Aufgaben und Expertise betrifft. Bei den abteilungsübergreifenden Quartalsbesprechungen, da sehen wir uns natürlich, und klarerweise auch bei den Betriebsfeiern. Wenn etwas schief läuft, wird das nicht an die große Glocke gehängt, und das ist gut so. Ich glaube die meisten von uns fühlen sich hier gut aufgehoben. So wie ein Teil eines größeren Zusammenhangs, in dem es für alle einen klar definierten Platz im Gefüge gibt. Für mich verkörpern unsere Büroräume auch genau das: Klarheit, wer wo in der Firma steht und Klarheit darin, was hier von wem gebraucht wird.
Abends schließt sich der Kreis. Die Bürotüren schnappen diskret zu und der fast synchrone Hall der Absätze verebbt in der Eingangshalle. Wir alle wissen, dass wir morgen alles so wiederfinden werden, wie es sein soll. Ohne diese Stabilität hätten viele unter uns nicht die Weichen für wichtige Lebensentscheidungen gestellt, darüber reden wir öfter mal in den Pausen. Wir sind uns dieser einzigartigen Beständigkeit bewusst.
Der Erfolgsschlüssel der Function Based Arbeitswelt liegt darin, dass alles und jeder einen klar zugewiesenen Platz im Unternehmen hat. Für diese Vision von Arbeitskultur ist es essenziell, dass völlige Klarheit über die spezifische Funktion jedes/ jeder Einzelnen im Unternehmen herrscht, sowie auch über ihre jeweilige Verortung in der Unternehmenshierarchie. Weil die Aufgaben im Arbeitsalltag kleinteilig organisiert und klaren personellen Funktionen zugeordnet sind, braucht es entsprechende räumliche Abgrenzungen. Jeder Arbeitsraum ist einer bestimmten Funktion angepasst und so können sich alle MitarbeiterInnen voll auf ihren zugewiesenen Part konzentrieren. Diese Arbeitsweise befördert außerordentliche Beständigkeit und kontinuierliche Qualität. So wie man sich darauf verlassen kann, dass ein routiniertes Orchester einen Publikumsklassiker mit hoher Präzision spielt.